Wie viele Besucher sind genug?

05 Juli 2018 2:03pm
coordinador
Wie viele Besucher sind genug?

Ob Kreuzfahrttourismus, Sharing-Industrie oder Low Cost-Airlines: Insbesondere in den Städten haben Besucherströme in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Der Anstieg ist vielerorts so massiv, dass sich Bürger bereits in Form von Initiativen zusammentun, um dem Ansturm Einhalt zu gebieten. Neben Metropolen wir Barcelona, Venedig oder Amsterdam sehen sich auch klassische Urlaubsziele wie Mallorca mit dem Phänomen des Overtourism konfrontiert. Auf der Baleareninsel stellen zum Beispiel insbesondere die vielen Mietwagen im Sommer ein großes Problem dar und belasten Umwelt und Infrastruktur. Nun fordert die Inselverwaltung von den Mietern einen nachweisbaren und stetigen Anstieg von E-Fahrzeugen, um die Natur zu entlasten.

Im fernen Utah beschäftigen sich die Nationalparkverwaltungen von Zion und Arches mit übermäßigen Besucherströmen. Verstärkt wird deren Problem mit natürlich begrenzten Anreisemöglichkeiten durch das vorhandene Straßennetz, das sich in der zum großen Teil geschützten Region freilich nicht willkürlich erweitern lässt. Wer die Parks im Rahmen einer Rundreise besuchen will, muss sich früh registrieren. Touristen in Europa kennen dieses Phänomen der Verknappung zum Beispiel auch vom Besuch der Alhambra im andalusischen Granada. Wer dort spontan am späten Vormittag hineinmöchte, hat nahezu keine Chance. Der Zugang zur bizarren Sandsteinformation The Wave im Grenzgebiet zwischen Utah und Arizona wird sogar über eine Lotterie geregelt.

Die globale Herausforderung durch übermäßige Besuchermassen hat auch die ITB Berlin früh erkannt und machte sie im Rahmen des diesjährigen ITB Berlin Kongress Berlin zu einem der Kernthemen im angesehenen Think Tank. Auf Podiumsdiskussionen sprachen hochrangige Vertreter Barcelonas, Dubrovniks und Amsterdams über Gründe, Probleme und Lösungsansätze für das Phänomen des Overtourism. Der Umgang mit den Massen ist für Tourismus-Ämter prinzipiell ein Spagat, da es auf der einen Seite gilt, die Bewohner und ihre Bedenken zu respektieren, auf der anderen Seite aber ein gastfreundliches Image gegenüber Besuchern auszustrahlen. Im Rahmen eines Masterplans hat Berlin zum Beispiel verkündet, die kontinuierliche Steigerung von Besucherzahlen nicht mehr zum Maß der Dinge zu machen und mehr auf Qualität statt Quantität zu setzen.

Amsterdam hat bereits einige Maßnahmen umgesetzt. Als eine der ersten Städte suchte die niederländische Metropole den Dialog zu Airbnb, um die Aufenthaltsdauer zu regulieren und eine geregelte Einnahme der Tourismus-Abgabe zu erwirken. Zudem hatte Amsterdam im Rahmen des ITB Berlin Kongresses eine Werbekampagne ankündigt, um ein Bewusstsein für respektvolles Verhalten bei Besuchern zu schaffen. Seit Ende Mai richtet sich die Stadt zum Beispiel gezielt an die sogenannten Stag-Touristen – allen voran an die Teilnehmer von Junggesellen-Partys aus Großbritannien und den Niederlanden im Alter zwischen 18 und 34. 

Auf dem richtigen Weg sieht sich auch Barcelona. So konnte die Stadt in jüngster Vergangenheit zum Beispiel rund 2.000 illegal vermietete Wohnungen aufdecken. Zudem ist es den Tourismus-Verantwortlichen gelungen, im Gespräch mit der Hafenverwaltung dafür zu sorgen, dass Kreuzfahrtschiffe künftig weiter außerhalb anlanden. Auf diese Weise – so ist vom Tourismus-Amt zu hören – ließe sich wertvoller Raum gewinnen, der insbesondere den Einheimischen nutzen soll.

Kreuzfahrt-Schiffe sind auch ein großes Thema für die kroatische Küstenstadt Dubrovnik. Sie hat es geschafft, die Besucherströme maßgeblich zu lenken, indem sie für einen entzerrten Plan sorgte und somit das Andocken zu vieler großer Schiffe gleichzeitig verhindert. Darüber hinaus richtet sich die Stadt mit einer speziellen App an Tagestouristen, in der sie unter anderem Empfehlungen ausspricht, wann sich bestimmte Teile der Stadt am entspanntesten besuchen lassen.

Essentiell für das Gelingen einer nachhaltigen Strategie ist natürlich die Zusammenarbeit mit der privaten Tourismuswirtschaft. Ohne den konstanten Dialog mit Veranstaltern, Transport-Unternehmen und dem Hotelgewerbe wird keine Stadt der Welt zu einer entsprechenden Lösung im Umgang mit großen Besucherzahlen kommen. Die Industrie – so etwa Joan Torrella, Tourism Director at the City Council Barcelona – habe schließlich auch ein eigenes Interesse daran: „Überfüllung schwächt die Wettbewerbsfähigkeit einer Destination“, so der Tourismus-Experte. „Das Engagement des Privatsektors ist maßgeblich entscheidend, um Barcelona zu einer nachhaltigen Stadt zu machen. Dies dient nicht nur dem Nutzen der Destination, sondern ist auch im Interesse jedes Unternehmens.“

Quelle: newsroom.itb-berlin.de

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