Die neue Währung für die Reisebranche: Vertrauen

03 Dezember 2020 4:57pm
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ITB-Berlin

Foto: ITB news room

Vertreter von Luftfahrt, Hotellerie und Kreuzfahrt diskutierten in einem Panel, moderiert von Lea Jordan, Mitgründerin und Head of Marketing bei techtalk.travel, den neuen Umgang mit Vertrauen beim Reisen. Gäste der Gesprächsrunde waren Marc Aeberhard von Luxury Hotel & Spa Management, Thomas P. Illes von thilles consulting, Klaus-Dieter Koch von Brand Trust sowie Christophe Mostert von M2P Consulting.

Ob der Einkauf im Supermarkt oder die Buchung einer Reise: Klaus-Dieter Koch sieht in der Entscheidung durch Konsumenten in der Regel zwei Strategien. Kunden haben entweder die Möglichkeit, eine Fachexpertise aufzubauen oder sich einfach zu entspannen und zu vertrauen. Die erste Variante setze immens viel Zeit voraus, daher komme Vertrauen enorme Bedeutung zu. Dies könne ein Konsument in Personen oder Systeme gleichermaßen haben. Marken seien mit Systemen gleich zu setzen. Als Beispiel für hohes Vertrauen in Brands nannte er den Veranstalter TUI sowie die Hotelkette Hyatt. Wichtige Treiber seien Kompetenz, Integrität sowie das Gefühl eines Wohlwollens auf Seiten des Anbieters – also der Glaube daran, dass Unternehmen jemandem etwas Gutes wünschen. Jeglicher Missbrauch der Werte ziehe entsprechend einen Verlust von Vertrauen nach sich.

Marc Aeberhardt gab zu bedenken, dass in der Hotelbranche keiner dieser Faktoren derzeit greife. Wir hätten es mit einer komplett anderen Situation als normal zu tun. Die Hotellerie lebe vom persönlichen Kontakt. Institutionen würden das Peoples Business derzeit quasi aushebeln. Die Branche habe keine Möglichkeit, gegenzusteuern und stecke so in einem Dilemma.

Thomas Illes ergänzte, dass die Cruise-Industrie bereits vor Corona mit vielen Kritik-Punkten wie Overtourism und umwelttechnischen Herausforderungen konfrontiert gewesen sei. Viele Ansätze seien entwickelt worden, die als Blaupause für andere Branchensegmente dienen könnten. Kommunikation sei hierfür der Schlüssel. Einige der Player hätten diese positiv eingesetzt, andere weniger. Vertrauen müsse aufgebaut werden wie nie zuvor. In diesem Rahmen gebe es viele Antworten auf die Herausforderungen – es würde sich aber erst noch zeigen, welche wirken.

Die Luftfahrt sieht Christophe Mostert vor ähnlichen Problemen. Sie stecke in einer nie zuvor dagewesenen Krise. Wieder auf den Weg zurück zu kommen, setze enorme Anstrengung voraus. Auf dem Gebiet der Luftfahrt könne es kaum mehr Vertrauen geben – das läge in ihrer unvorhersehbaren Natur. Muss ich in Quarantäne? Komme ich wieder gut zurück? Wie läuft das mit dem Testen? Die Antworten ändern sich von Tag zu Tag. Auch nach der Einführung einer Impfung haben wir bekanntlich noch mit dem Virus zu leben. Jedes neue System müsse also mehr Vorhersehbarkeit und weniger Komplexität aufweisen als das davor, um wieder Vertrauen beim Kunden aufzubauen.

Klaus-Dieter Koch sagte, Covid-19 habe offengelegt, dass Empathie und Nähe zum Konsumenten bereits gefehlt hätten. Der Kunde treibe schließlich das Geschäft von Unternehmern. Hotels und Airlines gleichermaßen müssten den Willen zum Verständnis ihres Gegenübers aufbringen.

Marc Aeberhard führte aus, dass das Problem in der Hotellerie sehr komplex sei. Wir hätten es weniger mit wirtschaftlichen Umständen als mit dem psychologischen Aspekt der Angst zu tun. Viel Schaden sei bereits angerichtet worden, dieser lasse sich nicht so leicht beheben. Obwohl menschlicher Kontakt so wichtig sei, würden Hotels zum Beispiel auf Essen setzen, das sie vor der Zimmertür abstellen und einen kontaktlosen Check-in einführen – solche Maßnahmen seien aber das Gegenteil menschlicher Interaktion.

Mostert erklärt, wie sich die aktuelle Krise der Luftfahrt im Vergleich mit vergangenen wie etwa der Terrorangst darstellt. Diesem sei man schlicht und einfach mit stärkeren Kontrollen begegnet. Nun habe man es aber mit einer Unsicherheit zu tun. Die Angst davor, nicht mehr von einem Reiseziel zurück zu kommen sei größer als die vor dem eigentlichen Virus.  

Für die Kreuzfahrt-Branche brachte Thomas Illes den Begriff einer Bubble auf, die ein Schiff heute bieten könne. Diese mache das Reisen auf See sicher und vorhersehbar, nehme Gästen aber die Möglichkeit, mit Menschen außerhalb dieser „Blase“ zu interagieren. Solche Umsetzung für die Branche sei derzeit womöglich die einzige Chance. Mit einer Auslastung von 50-60 Prozent könne die Industrie aber natürlich nicht wirtschaftlich sein.

Nach der Rolle von Sicherheits-Zertifikaten gefragt, sagte Marc Aeberhard, diese seien schwer zu interpretieren. Die Frage sei eher, ob wir das Reisen künftig mehr als Privileg denn als Grundrecht ansehen sollten. Womöglich sei Qualität künftig wichtiger als die Quantität. Er benutzte die Analogie eines Nests, in dem sich Menschen sicher fühlen. Dies würde man aber nicht mit Desinfektionsscheiben oder Schutzscheiben erschaffen.

Auch Koch nutzte den Begriff eines Nests. Wenn die Pandemie zu Ende ist, gebe es eine Chance etwas ganz Neues zu kreieren – ganz anders als das, was wir bisher alle kennen. Mostert ergänzte, dass Politiker zwar Grenzen öffnen und schließen könnten, dass es aber Aufgabe der Branchenplayer sei, die Wertschöpfungskette zu verändern. Am Ende, so Mostert, bräuchten wir etwas, dass sich über eine Vielzahl von Unternehmen hinweg anwenden lässt – jedoch auf der Basis, die durch die Politik definiert wird.

Quelle: ITB News Room

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